Unternehmensbericht 20/21

ZIER: Potenziale zu nutzen ist der zielführendere Ansatz. Ich bin überzeugt, dass wir in Sachen Solarenergie in Wuppertal noch tolle Sachen machen können – egal, ob das die institutionellen Akteure sind oder der ganz normale Einzeleigentümer freiwillig diese Schritte geht. Wir brauchen aber hierzu verlässliche Rahmenbedingungen, wie beim Thema Mieterstrom etwa, um mehr Dynamik reinzubringen und Anreize zu bieten, etwas auszuprobieren. SCHNEIDEWIND: Da bin ich beim Solarstrom ganz bei Ihnen. Die Anreize, in Anlagen zu investieren, haben ja nicht nur mit den möglichen Kosteneinsparungen zu tun, sondern auch mit dem Gefühl der Energieautonomie – auch bei Quartierslösungen. Viele der Regularien erschweren das nur. Da könnte eine Bundesregierung wirklich liefern, ohne viel Geld in die Hand nehmen zu müssen. Es braucht weiter politischen Druck; das wäre dann ein Win-Win für alle Seiten. Schauen wir auf das Thema Neubau. Wir brauchen ja nicht nur renovierte Wohnungen, sondern überhaupt mehr Wohnraum. Wie steht es um die Neu- bauquote in Wuppertal? SCHNEIDEWIND: Unsere Neubauquote ist nicht überbordend, auch weil wir es mit gewaltigen Flächenengpässen zu tun haben. Wir sollten uns vor Augen führen, dass der Pro-Kopf-Quadratmeterverbrauch in den letzten Jahrzehnten gewaltig in die Höhe gegangen ist – von etwas über 20 auf jetzt über 40 Quadratmeter. Die Lösung der Wohnungsnot liegt nicht allein im Zubau, sondern auch in anderen Wohn- und Nutzungskonzepten. Deswegen ist für mich die Wuppertaler Antwort nicht allein ein Ausbauprogramm für das klassische Wohnen, sondern der Austausch mit den Wohnungsbaugesellschaften als Partner, um solche Konzepte klug zu diskutieren. Laut einer aktuellen Umfrage würde jeder zweite Mieter gerne umziehen, findet aber keine geeignete Wohnung, weil die Alternativen entweder zu groß, zu klein oder zu teuer sind. Wie lautet die Lösung: Neue Flächen erschließen oder nachverdichten? ZIER: Ich stimme Ihnen zu, Herr Schneidewind. Wir müssen das Thema auch über neue Nutzungskonzepte vorantreiben. Da probiert die Wohnungswirtschaft durchaus tolle Dinge aus. Im Bestand ist das, um der Wahrheit die Ehre zu geben, allerdings sehr aufwendig – und dann landen wir wieder bei der Frage der Bezahlbarkeit des Wohnens. Deshalb brauchen wir auch mehr von anderen Lösungen. Wir stehen in Wuppertal im Wettbewerb mit umliegenden Kommunen. Unsere direkten Nachbarn, wie z. B. die kleine Gemeinde Schwelm, haben uns in den letzten Jahren potente zahlungskräftige Kundschaft über die Stadtgrenze abgeworben, weil der Markt in Wuppertal in diesem Segment über kein nennenswertes Angebot verfügt. Dieser Abwanderung müssen wir entgegenwirken und gute passende Angebote liefern – egal, ob es Barrierefreiheit, Wohnkomfort, energetische Optimierung oder andere Merkmale sind. Ich möchte im Wettbewerb mit unseren Umlandgemeinden nicht verlieren, denn Wuppertal ist eine tolle Stadt, in die Leute hinziehen sollten, anstatt wegzuziehen. SCHNEIDEWIND: Wir müssen den Mut haben, ein klares Profil zu entwickeln: Wuppertal wird auch in den kommenden Jahren für urbanes Wohnen stehen. Damit wird Nachverdichtung wichtig, ganz im Sinne der 15-Minuten-Stadtidee. Wer weiterhin ein Einfamilienhaus mit großem Garten will, für den haben wir in Wuppertal nicht genug Flächen. Da sind Umlandgemeinden, die entsprechende Flächen ausweisen können, besser aufgestellt. Ich glaube aber, dass wir für urbanes Wohnen heute schon hochinteressante Alleinstellungsmerkmale haben. Das ist zwar eine schwierige Diskussion, aber angesichts des knappen Guts Fläche kommen wir nicht umhin, sie zu führen – auch mit den Wohnungsbaugesellschaften. ZIER: Ich freue mich, dass wir den Architekturwettbewerb Solar Decathlon bei uns in der Stadt haben, der interessante Impulse für Nachverdichtungslösungen liefern wird. Im Moment fehlen bestimmte Merkmale im Wohnangebot unserer Stadt. Das zeigt unser Neubau-Objekt „heidter carré“: Noch bevor die Baugenehmigung erteilt war, erhielten wir schon Anfragen. Die Nachfrage ist aktuell riesengroß, was auf einen gewissen Mangel hindeutet. Natürlich müssen wir für verschiedene Lösungen offen sein und auch im Bestand schauen, wie wir Wohnqualität für die Zukunft schaffen – groß, klein, barrierefrei. Dafür braucht es aber noch ein bisschen Schwung. Wenn Sie nach vorne schauen: Wie sähe ein Wuppertal der Zukunft aus? SCHNEIDEWIND: Ja, das ist ja ein Thema, das uns intensiv beschäftigt. Mein Anspruch ist, dass wir dann einer der spannendsten urbanen Räume in NordrheinWestfalen sind, weil wir vieles von dem, was neue stadtpolitische Leitbilder zeigen, hier abbilden: hohe urbane Qualität mit einem breiten Spektrum an tollen Wohnmöglichkeiten, ohne immer auf das Auto angewiesen zu sein. ZIER: Mein Wunsch ist, dass wir lebenswerte Quartiere schaffen, die in Zukunft noch ganz andere dienende Funktionen erfüllen – für die Mobilität der Zukunft, aber auch für digital vernetzte Quartiere im Sinne der Energiewende und des Klimaschutzes. Ich habe die Hoffnung, dass alle Akteure, die dazu etwas beitragen können, gemeinsam vieles dafür in Bewegung setzen. Herzlichen Dank Ihnen beiden für das Gespräch. 49m² 33m² um mehr als ein Drittel höher als die Wohnfläche pro Kopf in Zwei-Personen-Haushalten mit Die Mitglieder von Haushalten mit drei oder mehr Personen beanspruchten sogar nur eine durchschnittliche Fläche von Kira Crome ist freie Fachjournalistin für Nachhaltigkeitsthemen. Sie schreibt für verschiedene Medien und Institutionen über Klimaschutz, nachhaltiges Wirtschaften und Leben, Mobilität und erneuerbare Energien. 68m² Wohnfläche pro Kopf oder Vergleich von belegtem Wohnraum nach Haushalten: Im Jahr 2018 lag die Wohnfläche pro Kopf in Ein-Personen-Haushalten mit » Link zum Interview 28

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