Unternehmensbericht 20/21

gen sind sicherlich nicht überall und immer die beste Lösung – zumal ja auch das Thema Verbundbaustoffe für Isolierung und Fassadendämmung aus Umweltsicht so manche Frage aufwirft. Da müssen Wohnungsbaugesellschaften genau hinschauen, Maßnahmen abwägen und prüfen, welche Maßnahmen sinnvoll sind und wo es Fördermöglichkeiten gibt. Letztlich kommt es beim nachhaltigen Bauen auf die richtige Mischung an: Natürlich muss auch die kommunale Immobilienwirtschaft hochpreisige Wohnungen mit einem gewissen Gewinnpotenzial auf den Markt bringen können. Dafür kann sie dann aber in anderen Projekten mit einer anderen Rendite kalkulieren. Größere Unternehmen mit breiteren Portfolios können einen solchen Veränderungsprozess vielleicht besser austarieren. Ein Faktor in dieser Gleichung für bezahlbares Wohnen ist Fläche. Wie gehen Städte mit diesem knappen Gut um? PAHL: Nachverdichtung in Innenstadtlagen bedeutet: Man muss nicht auf die grüne Wiese ausweichen, was neue Infrastruktur erfordern und weite Wegstrecken nach sich ziehen würde. In Städten wie Wuppertal, die schon eine sehr kompakte Bebauung haben, muss Stadtentwicklung eine Querschnittsaufgabe sein. Denn dabei geht es um viele Fragen wie die soziale Durchmischung in den Quartieren und den Umgang mit Zu- und Weg- zügen oder mit verändertemWohnraumbedarf. Nachhaltiges Flächenmanagement zielt aber auch auf die Stadt der kurzen Wege ab, auf emissionsfreie Mobilitätskonzepte und die Wiederbelebung von aufgegebenen Einzelhandelsimmobilien durch Umnutzungen. Schließlich spielt auch die Klimaanpassung eine Rolle, also der Erhalt von Frischluftschneisen und die Vermeidung von Hitzeinseln. Da müssen Städte vieles neu denken. Die Klimaanpassung steht aber somit in einem gewissen Spannungsverhältnis zur Nachverdichtung. Kluge Abwägungsprozesse für jedes einzelne Quartier sind da erforderlich. Die Wohnungswirtschaft treibt die nachhaltige Stadtentwicklung mit voran. Richtschnur dafür ist der Deutsche Nachhaltigkeitskodex, kurz: DNK. Was genau ist das? PAHL: Mit dem DNK hat der Nachhaltigkeitsrat vor gut zehn Jahren einen Standard für die Unternehmensberichterstattung geschaffen, um das Nachhaltigkeitsengagement von Unternehmen sichtbar und vergleichbar zu machen. Anders als komplexe internationale Standards wie die Global Reporting Initiative, die vor allem große Unternehmen adressiert, aber sehr aufwendig ist, richtet sich der DNK an mittelständische Unternehmen. Es ist letztlich ein Management-Tool, das auch kommunalen Gesellschaften helfen kann, Herausforderungen zu identifizieren und Fortschritte zu erfassen. Wenn Sie eine Glaskugel hätten: Wie sieht die Stadt der Zukunft aus? PAHL: Auf jeden Fall werden Wohnen, Arbeiten, Einkaufen und Freizeit in Zukunft stärker durchmischt sein. Das eigene Auto wird zugunsten von emissionsärmeren multimodalen Mobilitätslösungen zurückgedrängt werden. Frei werdende Verkehrsflächen können neu genutzt werden. Klar ist auch: Nachhaltige Stadtentwicklung ist kein Selbstläufer. Nachhaltige Stadtentwicklung erfordert sehr gut gestaltete Veränderungsprozesse, die eine kluge, weitsichtige Stadtführung einerseits und ein starkes Miteinander der Stadtgesellschaft andererseits brauchen. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Pahl. Die Menschen zieht es in die Städte – in Deutschland wie fast überall auf der Welt. Im Jahr 2050 werden zwei Drittel der Menschen in Städten wohnen, schätzen Experten. Was bedeutet dieser Megatrend für die Stadtentwicklung? PAHL: Städte stehen heute vor großen Herausforderungen – da ist Wuppertal mit seiner besonderen Wirtschafts- und Siedlungsstruktur in der lang gestreckten Tallage keine Ausnahme. Alter Gebäudebestand muss klimagerecht modernisiert und brach liegende Gewerbeflächen umgenutzt werden. Es braucht neue Mobilitätsformen, und zugleich gilt es, dem demografischen Wandel zu begegnen. Das Ziel einer nachhaltigen Stadtentwicklung ist in der Agenda 2030 der Vereinten Nationen festgeschrieben. Einen Fahrplan dafür entwirft die internationale New Urban Agenda, die die Generalversammlung 2016 verabschiedet hat. Wichtige Impulse für die moderne, digitale und sozial durchmischte Stadt der Zukunft liefert aber auch die „Neue Leipzig-Charta. Die transformative Kraft der Städte für das Gemeinwohl“, die im letzten Jahr unter der deutschen EU-Ratspräsidentschaft erneuert worden ist. Der Generalsekretär der Vereinten Nationen, António Guterres, hat mit Blick auf die globalen Klimaziele gesagt: Wir sind noch nicht auf dem richtigen Weg dahin. Gerade hat die Bundesregierung die Klimaschutzziele für Deutschland nachgeschärft. Was kann eine Stadt wie Wuppertal konkret zu mehr Nachhaltigkeit beitragen? PAHL: Wir sind im Moment in der Tat weder in Deutschland noch in Europa oder global auf dem richtigen Weg. Die Bundesregierung hat jetzt die Ziele höhergesteckt, ohne sie bereits mit größeren zusätzlichen Maßnahmen zu unterlegen. Da wird noch nachgesteuert werden müssen. Klar ist aber auch: Ohne die Innovationskraft der Städte lassen sich diese Herausforderungen nicht meistern. Um Lösungen zu finden und zu erproben, müssen Städte sektorübergreifend denken. Das fordert auch die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie. Das ist in Städten wie Wuppertal sicherlich manchmal mit gewissen Friktionen verbunden. Aber Projekte wie das Klimaquartier Arrenberg zeigen auch, wie viel durch gemeinsames Engagement geschafft werden kann. Am Arrenberg sollen Mehrfamilienhäuser und Gewerbebauten bis 2030 klimaneutral umgebaut werden. Viele stammen noch aus der Gründerzeit. Ist der Gebäudebestand sozusagen die Achillesferse des Klimaschutzes? PAHL: Der Wohngebäudesektor belastet die CO2-Bilanz in Deutschland ganz erheblich. Da ist bislang zusammen mit dem Verkehrssektor deutlich weniger passiert als zum Beispiel in der Energiewirtschaft oder in der Industrie. Das liegt auch daran, dass Eigentümer und Vermieter die richtigen Rahmenbedingungen brauchen, damit sie ihre Investitionen auch mittel- und langfristig in wirtschaftliche Erfolge umwandeln können. Das ist derzeit in vielerlei Hinsicht nicht einfach – egal, ob es darum geht, Bestandsbauten energetisch zu sanieren oder mit erneuerbaren Energien auf Dächern und an Fassaden auszustatten. Da sind andere Länder schon viel weiter als wir in Deutschland. Die aktuelle Diskussion um die Verteilung der Belastungen durch die neue CO2-Abgabe auf Heizöl und Erdgas offenbart, wie unterschiedlich die Interessenlagen sind und wie schwierig eine gemeinsame Lösung ist. Wohnen ist auch eine soziale Frage. Wie schaffen Kommunen den Spagat zwischen Klimaschutz und der Sicherung von bezahlbarem Wohnraum? PAHL: Wir brauchen mehr Bewegung im Bestand, allerdings nicht zu jedem Preis und nicht zulasten der Mieter. KomplettsanierunEin Interview mit Dr. Marc-Oliver Pahl, Generalsekretär des Rates für nachhaltige Entwicklung der Bundesregierung. „Stadtentwicklung nachhaltig denken.“ 58 59

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