43 | INNOVATIONSMANAGEMENT Christian Thomas, Trainer, Moderator und Mediator bei der EBZ Akademie, begleitet die gwg wuppertal seit vielen Jahren zu den Themen Führungskultur und Projektleitung. Im Gespräch mit uns blickt er auf aktuelle Transformationen der Wohnungswirtschaft – und welche Rolle dabei die Organisation der Organisation spielt. Megatrends wie Urbanisierung, Klimawandel, Demografie, Digitalisierung, Mobilität und viele weitere stellen die Wohnungswirtschaft vor enorme Herausforderungen. Wie bewerten Sie die Situation? Die Themen sind alle nicht neu, aber sie kulminieren nun in einer hohen Komplexität und treffen die Branche mit voller Wucht. Wir reden seit 20 bis 25 Jahren über eine alternde Gesellschaft, den Klimawandel, Flucht und Migration oder über die Integration von bestimmten Bevölkerungsgruppen usw. Im Vergleich zur Automobilbranche zum Beispiel war die Wohnungswirtschaft stets stabil. Das Geschäftsmodell an sich wurde nie infrage gestellt, selbst in der Coronapandemie nicht. Doch aktuell entsteht durch die Komplexität der äußeren Entwicklungen ein immer stärkerer Kostendruck, der die Erträge übersteigt. Die Plötzlichkeit des Handlungsbedarfs liegt vor allem in der Geschwindigkeit und Dynamik der Entwicklungen begründet. Kommunale Unternehmen sind hier zusätzlich in einer besonderen Position. Ein kommunales Unternehmen muss seinem sozialen Auftrag folgend breite Schichten der Bevölkerung mit qualitativ gutem, aber preiswertem Wohnraum versorgen – auch diejenigen, die dies aus eigener Kraft nicht können. Gleichzeitig muss es wirtschaftlich agieren. In dieses grundsätzliche Spannungsfeld wirken die verschiedenen äußeren Themen wie die digitale Transformation oder der Klimawandel zusätzlich hinein und verschärfen die Ausgangssituation. Zunehmende formelle oder inhaltliche Anforderungen an Modernisierung und Bestandsentwicklung, zum Beispiel hinsichtlich Barrierefreiheit oder Betreuung älterer Menschen, werden immer komplexer. All die daraus resultierenden Maßnahmen muss ein kommunales Unternehmen aus den Mieteinnahmen finanzieren, die jedoch im Bestand politisch, aber auch zu einem Teil durch das Mieterklientel gedeckelt sind. All die vielschichtigen gesellschaftlichen Themen belasten nicht nur die Unternehmen, die Branche, sondern auch die Kommunen. Als Beispiel sei etwa die Aufgabe genannt, seinerzeit in der Flüchtlingskrise schnell viele Menschen unterzubringen, mit dem nachgelagerten Thema Integration. Häufig werden Aufgaben von der Stadt auf das kommunale Unternehmen übertragen, das bereits unter Druck steht. Wir sprechen hierbei von der sogenannten Stadt- oder Sozialrendite des Unternehmens, das durch sein Wirtschaften die Kommune entlastet. Insbesondere wirtschaftlich weniger starke Kommunen sind darauf angewiesen, dass ihre Tochterunternehmen bestimmte Leistungen für sie quasi miterbringen. Im Unterschied zu einem privatwirtschaftlichen Unternehmen mit größeren Spielräumen muss ein kommunales Unternehmen einen Spagat vollführen, um sozial, nachhaltig und wirtschaftlich zu handeln – während der finanzielle Rahmen durch vielfältige Faktoren immer mehr begrenzt wird. In herausfordernden Zeiten ist es für Unternehmen erforderlich, eine Balance zu finden. Hier muss man über ein anderes wirtschaftliches Agieren hinaus auch eine andere Art des Managements und der Zusammenarbeit innerhalb der Organisation andenken und es muss ein unternehmerisches Selbstverständnis und Selbstbewusstsein gebildet werden. Aus diesen wiederum ist eine klar definierte Strategie für die Zukunft abzuleiten, insbesondere mit Blick auf Recruiting, auf Veränderungen und Krisen – ein Riesenthema. Aus der Strategie folgt die Kompetenzentwicklung. Denn um ein Unternehmen zukunftsfähig zu machen – für die nächsten fünf, zehn oder 15 Jahre – braucht es neue Kompetenzen, die auf die Herausforderungen ausgerichtet sind. In der Führung braucht es vor allem Veränderungsbereitschaft, Resilienz, Kommunikationsfähigkeit, Konfliktlösungskompetenz, Auftrittsstärke und Methodenkompetenz, ein digitales Grundverständnis, Visionskraft und Teamentwicklungskompetenz. Auf jeder Ebene eines Unternehmens gilt inzwischen: Fachkompetenz alleine reicht nicht aus. Hier können Unternehmen auch davon profitieren, sich für externe Kompetenzen zu öffnen: zum Beispiel für Quereinsteiger, neue Kooperationen und Kollaborationen, neue Geschäftsmodelle. Was meint in diesem Kontext unternehmerisches Selbstverständnis? Ich möchte das an einem etwas plakativen Beispiel augenzwinkernd veranschaulichen. Harley-Davidson verkauft nicht Motorräder, sondern Träume. Der Traum kostet 50.000 Dollar – und das Motorrad gibt es „gratis“ dazu. Selbstverständlich hat ein kommunales Wohnungsunternehmen einen definierten Unternehmensgegenstand, einen (Versorgungs-)Auftrag. Die Frage lautet jedoch: „Wer wollen wir sein?“ Die Antwort kann dann lauten: „Unser Ziel ist es, ein stabiler Anker zu sein – die verlässliche, positive, preisstabilisierende Kraft in unserer Branche.“ Diese identitäts-, kultur- und imagestiftende Vision muss klar formuliert werden. Dies ist auf strategischer Ebene auch für die Führung bzw. Führungskultur entscheidend, nicht zuletzt, um mit dem Team gemeinsam die Innovationskraft des Unternehmens zu beflügeln.
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